Speckstein

So, und nun zum Speckstein, dem Patriarchen in unserem Vereinshaushalt. Ohne ihn ginge nichts. Wir huldigen ihm, wir lieben ihn.

Kennt Ihr das: Immer wenn Ihr auf einer Website seid und Euch etwas erklärt wird, findet Ihr die selben Worte auf Wîkipedia wieder…? Wir kennen das auch. Und wisst Ihr was? Jetzt kupfern wir doch auch mal ab! Bis zum Brockhaus sind es 8 Leiternstufen hoch und manchmal mögen wir einfach nicht mehr Treppchen steigen. Vor allem, wenn wir gerade einen „Fleisch-Hangover“ haben. Also, hier ein paar Wiki-Facts…:

Speckstein (Talkschiefer, Steatit[1], Seifenstein, ital. pietra ollare; franz. pierre d’ollaire; engl. soapstone) ist eine Gruppe von Natursteinen, die hauptsächlich aus dem Magnesium-Silikat Talk in massig-dichter Ausbildung bestehen [2].

Landschaftlich (vor allem in der Schweiz und im Veltlin) ist die Bezeichnung Lavezstein üblich, zum älteren italienischen lavezzo bzw. laveggio (Topf) [3]. Die mittelalterliche Bezeichnung für diesen Stein lautete Talcus. Das Gestein wird fast weltweit abgebaut. Je nach der Zusammensetzung unterscheiden sich die Steine regional in ihrer Härte und Brüchigkeit. Nebenbestandteile sind die Minerale Magnesit, Serpentin und verschiedene Chlorite.

Der Begriff Speckstein ist selbsterklärend, weil sich das Gestein fettig anfühlt. Die Deutungen auf der Grundlage einiger fremdsprachiger Bezeichnungen und jener in der südlichen Schweiz gebräuchlichen Form Lavetz- oder Lavezzstein sind komplex.

Folgende historische Zitate sollten vor den etymologischen Erläuterungen zur Kenntnis genommen werden, weil sie zum Verständnis der komplexen Sachverhalte unverzichtbar sind: •Wolfram/1833 (siehe Literatur): „Der Topfstein – Schneide-, Weich-, Gilt-, Lavetzstein – an den Kanten durchscheinend, ist ein grünlichgrauer, undeutlich körniggefügter Talk, oder ein inniges Gemenge von Talk, Chlorit, Glimmer, Magneteisen u. … Noch frisch und feucht ist der Lavetzstein (von Lavezzo: eine Pfanne, ein Kessel) leichter als Serpentin zu bearbeiten, sogar leichter als trockner Thon.“ „Zu Plürs in Graubündten wurde er schon vor Christus zu allerhand Gefäßen, besonders Kochgeschirren (daher caldarium), verarbeitet. Von Como, wohin er zu Markt gebracht wurde, nannte ihn Plinius: lapis comensis.“ •Blum/1840 (siehe Literatur): „Die Eigenschaft mehrerer Mineralsubstanzen von erdiger oder dichter Zusammensetzung, fette Oele begierig einzusaugen, macht sie geeignet aus seidenen, wollenen und anderen Zeugen verunreinigende Fettigkeiten auszuziehen; man gebraucht sie daher zum Walken derselben und zum Ausmachen von Fettflecken. Diese Mineralien sind: Walkerde, Thon, Cimolit, Bergseife, Speckstein, …“ „Walkerde … fühlt sich sehr fett an und zergeht leicht im Wasser zu einem feinen, milden seifigen Schlamm.“ „Die Walkerde wird, … in manchen Gegenden zum Reinigen des Leinens und in vielen Fällen angewendet, wo man gewöhnlich Seife gebraucht.“

Wie schon erwähnt, ist der Südalpenraum ein traditionelles Abbaugebiet für Speckstein. Ein besonders bedeutendes Zentrum war das Val Lavizzara im nördlichen Tessin. Es ist offensichtlich, dass der Begriff Lavetzstein, der heute nur regional auftritt, mit dem Namen des Tales bzw. dieser Landschaft in Verbindung steht. In einer italienischsprachigen Publikation über Speckstein (Autorenkollektiv/1986 – siehe Literatur) ist zu lesen, dass in diesem Tal ein Familienname Lavizzari belegt ist. In der gleichen Quelle werden zwei ältere deutschsprachige Literaturzitate angeführt: „…und in dieser Felskette sind die Berge di Lavezzi, die also genannt werden, weil in denselben der Lavezzstein oder Topfstein gegraben wird.“ (1760) und „…Das Thal Lavizzara … Seinen Namen hat es von den Lavezzi oder aus gewissen Steinen gedrechselten Häfen und Küchengeschirren.“ (1766) Im Latein steht das Wort lavātiō (-ōnis) für Waschen, Baden, Bad und Badewasser und lăvō für die Verben baden und waschen. Heute wird in der Schweiz (auch unter Deutschschweizern) für ein Waschbecken der Begriff Lavabo verwendet. Im Italienischen steht lavare für waschen, und lavello für Spülbecken/ Waschbecken und für die Person des Wäschers der Begriff lavatore. Die lateinischen Worte lǎbrǔm/lǎvābrǔm bedeutet Becken, Wanne, Badewanne. Der römische Wasserkessel heißt labra.[4] Durch Lautverschiebung wurde aus „b“ das „v“.

Richtungsweisend für die etymologische Herleitung sind weitere Erläuterungen zu antiken Verwendungen überliefert, die hier beispielsweise für zahlreiche Angaben aufgeführt werden sollen: „Zu den römischen labra vgl. A.Hug. Art. Labrum, in: PRE XII 1, 1924, S. 285 f. Verschiedene Materialien wurden dafür verwandt, sehr häufig ist jedoch Stein in der Literatur und bei den Funden belegt. Als landwirtschaftliche Geräte dienten die Becken bei der Herstellung von Öl und Wein, außerdem wurden sie im Haus als Vorratsbehälter für Flüssigkeiten und Nahrungsmittel gebraucht, vgl. Cato, De Agri Cultura X 4, XI 3; XIII 2. Daneben bezeichnet labrum auch das Waschbecken innerhalb der römischen Badeanlagen (Vitruv V 10,4), von denen etliche erhalten sind. Es handelt sich dabei meist um sehr flache runde Becken mit relativ großem Durchmesser. Sie waren oft in der Mitte durchbohrt, damit das Wasser unter Druck wie bei einem Springbrunnen ins Becken fließen konnte. Der Ursprung dieser Becken liegt bei den Waschbecken der griechischen Bäder, den Fußbadewannen (οί ποδανιπτηρες) einerseits und den eigentlichen Waschbecken (τα λουτηρια) andererseits. … Louteria aus Stein kommen häufig in Tempeln vor, die Becken sind teilweise so flach, dass sie mehr an Tische als an Behälter erinnern, vgl. Ginouvès, ebd. 67f. 89 ff. u. pl. XX:59-62; XXIII:69f. …Es sei daran erinnert, dass auch die griechisch-römische Religion eine Vielzahl von rituellen Reinigungen des Körpers oder nur der Hände und Füße kannte, die immer auch zur Herstellung und Aufstellung entsprechender Wasserbecken für den öffentlichen und den privaten Kult führte. Im Unterschied zu den jüdischen Steingefäßen scheint aber im griechisch-römischen Bereich Stein keine besondere rituelle Funktion gehabt zu haben.“ [5]

Der Sinnzusammenhang von Lavetzstein besteht also darin, dass aus dem sehr weichen Speckstein nicht nur Kochtöpfe (Topf lat.:olla/ Speckstein franz. Pierre d’ollaire) sondern ursprünglich Waschbecken und -tröge gefertigt wurden. Die Kochtopfproduktion erlebte im Mittelalter ihren Höhepunkt.

Bei der Betrachtung der Gegebenheiten von vielen Specksteinlagerstätten im Südalpenraum wird deutlich, dass neben den festen Gesteinspartien viel lockeres Material anfällt, was zum Drechseln von Gegenständen nicht verwendet werden kann. Die beim Drechseln und anderen Bearbeitungstechniken entstehenden großen Mengen an Specksteinpulver wären normalerweise Abfall, aber man nutzte sie, wie den lockeren Abraum vom Specksteinabbau, zur Herstellung von Seifenpulver. Ein anderer Hinweis erschließt sich aus dem italienischen Wort lavorare für bearbeiten und lavoro für Arbeit. Speckstein lässt sich wegen seiner außerordentlich geringen Härte sehr gut bearbeiten! Man muss in diesem Zusammenhang auch zur Kenntnis nehmen, dass im Italienischen für die Gesteinsart Schiefer nicht nur ardesia sondern auch lavagna gebräuchlich ist. Manche Tonschiefer sind weiche Gesteine, die sich dadurch gut bearbeiten lassen.

Neuzeitliche Sprachforschungen in der Südalpenregion differenzieren den Begriff weiter. Die textlichen Erstbelege stammen vom 13. Jahrhundert aus der Region Veneto und vom Beginn des 14. Jahrhunderts aus toskanischer Quelle[6]. Wanderhandwerker (Kesselflicker, Kaminfeger, Mauerer, Geschirrhändler u.a.) verbreiteten den Begriff Lavetzstein (Lafetsch-Stein) von den Regionen seines Abbaus im Veltlin und Tessin. Die Ursprünge für die mittelhochdeutschen Lafetsch-Formen und ihrer adäquaten zentralladinischen Worte werden in der Sprachforschung den Regionen Lombardei bzw. Tessin zugeordnet. Das deckt sich mit wichtigen Vorkommen von Speckstein in einigen Alpentälern. Materialien und Gegenstände wurden oft im Sinne ihrer Anwendung und Bearbeitung bezeichnet. Dadurch kommt jenen Gruppen eine gewisse Definitionshoheit zu, die den größtmöglichen Überblick zu ihrem Material bzw. seiner Verarbeitung und Einsatzgebieten haben. Zeitgenössische Erklärungen zur Bedeutung des Wortes sind aus alten urkundlichen Quellen ersichtlich, so für Laffetsch (Schlandersberg 1401) für „großer Kessel zum Kochen und Waschen“[7] und lafetz für “großer Kessel zum Kochen, Waschen“[8]. Hier zeigt sich die Mehrdeutigkeit dieses Begriffes in jenem zeitlichen Zusammenhang, als der Stein intensive Verarbeitung und Nachfrage fand. Im 13. Jahrhundert übertrug sich die Bezeichnung „lavezzo“ auch auf Metallkessel aus Bronze und Kupfer. Sekundär findet man laveggio im Italienischen für Kochkessel, obwohl primär dafür paiuolo und für Kochtopf pentola stehen.

Nach jüngsten Erkenntnissen ist der Begriff lavec als Wanderwort anzusehen, der durch umherziehende Handwerker aus der Lombardei im Südalpenraum verbreitet wurde. Die endgültige etymologische Erklärung, soweit überhaupt möglich, ist weiteren mühseligen und interdisziplinären Forschungen vorbehalten.

Zur Erweiterung des Blickwinkels auf die komplexe Namensproblematik trägt ein Blick auf liturgische Praxi bei. Als Lavabo werden Gefäße und Instrumente bezeichnet, die zur Handwaschung bei gottesdienstlichen Handlungen durch die römisch-katholische Kirche in Anwendung sind. Wie bereits erwähnt, ist Speckstein auch als Material für Tauf- und Weihwasserbecken nachweisbar (z.B. Weihwasserbecken in der Kirche Madonna della Rovana (Cevio) / 17. Jh. / Material aus dem Val Peccia). Diese Waschungen haben symbolischen und praktisch-hygienischen Hintergrund. Die symbolische Bedeutung wird seit fränkischer Zeit aus Psalm 25 (6-12) zelebriert: Lavabo inter innocentes manus meas …/ In Unschuld will ich meine Hände waschen…). „Das Initialwort ist namengebend auf die Gefäße bzw. Geräte übergegangen.“[9] In Hinblick auf seine vielseitige Verwendung ist der Lavetzstein/Speckstein jener Werkstoff, der dem Menschen für seine täglichen arbeitsreichen Verrichtungen unverzichtbar wurde. Er war als „Waschpulver“, Wassergefäß, Teller und Topf gleichermaßen das Material für den alltäglichen Bedarf wie Taufbecken und Weihwassergefäß im religiösen Leben der Menschen!